Was passierte eigentlich, wenn eine Atombombe am tiefsten Punkt der Erde gezündet würde? Und wie könnte schon heute eine Mondbasis errichtet werden? Dies sind nur zwei von zahlreichen Fragen, die kurzgesagt-Gründer Philipp Dettmer und sein Team mit anschaulich animierten Videos auf YouTube beantworten. Wissenschaftlich, kompakt und faktisch korrekt.
Mittlerweile hat das Education Start-up als erster deutscher YouTube-Kanal über 13 Millionen Abonnenten. Kein Wunder: Laut einer Studie des PEW Research Center eignet sich mehr als die Hälfte aller YouTube-Nutzer neues Wissen über die Plattform an. Sei es darüber, wie ein Song auf dem Klavier gespielt wird, wie man eine Lehmwand errichtet oder eben was bei einer Atomexplosion tief im Meer geschehen würde.
Kurzgesagt is amazing. https://t.co/Ea82OomHVU
— Tobi Lutke 🌳🌲🛒🕹 (@tobi) February 16, 2020
YouTube-Kanal, Merch-Shop & Designagentur unter einem Hut
Heute stecken hinter der Content-Brand kurzgesagt knapp 40 clevere Köpfe, die ihrem Publikum mit Animationsvideos komplexes Wissen über das Universum und das Leben auf der Erde zugänglich machen.
Neben ihrem YouTube-Kanal setzt das Team auch Kundenprojekte um und vertreibt eigene Produkte über ihren Shopify-Store. Der Unternehmensschwerpunkt liegt allerdings nach wie vor auf dem Video-Content mit selbst bestimmten Themen, der Nutzern weltweit kostenlos zur Verfügung steht.
Im Interview mit Shopify haben Bella Wolf und Cathi Ziegler, die Leiterinnen der Merchandise und Designabteilung von kurzgesagt, erzählt, wie ein YouTube-Channel zu einem erfolgreichen Unternehmen heranwuchs, das seiner Linie treu bleibt. Zudem berichten sie von der Einführung ihres Onlineshops mit Produkten passend zu den kurzgesagt-Erklärvideos und verraten, worum es beim Topseller – dem kurzgesagt-Kalender 2021 - geht.Bella Wolf und Cathi Ziegler leiten die Merchandise und Design Abteilung von kurzgesagt.
Eure Videos sind kostenlos für jedermann und -frau zugänglich. Womit verdient ihr euer Geld?
Bella: Finanziell betrachtet stehen wir auf mehreren unternehmerischen Standbeinen. Dies ermöglicht uns, unseren Content unabhängig zu produzieren, Themen selbst auszuwählen und unsere Videos weiterhin kostenfrei anzubieten.
Einkommensquelle #1: YouTube-Marketing
Zum einen erhalten wir Werbeeinnahmen durch YouTube. Zudem tragen unsere Sponsoren einen wichtigen Teil zur Finanzierung bei, denen wir in einigen Fällen die letzten 45–60 Sekunden eines Videos widmen.
Lesetipp: Wir verraten dir, wie du mit YouTube Geld verdienen kannst.
Einkommensquelle #2: Agenturaufträge
Ein weiteres Standbein sind Kundenprojekte, für die wir nach Vorgabe Designs und Videos zu Themen erstellen, die unsere Kunden vorgeben. Oftmals kontaktieren uns Unternehmen, die unseren Animationsstil mögen und ihre Produkte oder Dienstleistungen auf humorvolle und anschauliche Weise darstellen möchten.
Einkommensquelle #3: Der kurzgesagt-Onlineshop
In unserem eigenen Onlineshop vertreiben wir kreative Merchandise-Produkte, die besonders bei unseren YouTube-Fans großen Anklang finden. Das Sortiment reicht von klassischen Artikeln wie T-Shirts und Tassen bis hin zu Kalendern, Postern und Socken.Der kurzgesagt Kalender für das Jahr 12,021.
Einkommensquelle #4: Patreon-Mitgliedschaft
Patreon ist eine Plattform, die es kreativ Schaffenden ermöglicht, von ihren Fans finanzielle Unterstützung zu erhalten. Unsere Zuschauer spenden monatliche Beiträge und erhalten dafür ein Dankeschön-Geschenk, das sich an der Höhe der Spende orientiert. Für eine monatliche Spende von 75 USD zeichnet der kurzgesagt-Sprecher Steve beispielsweise eine individuelle Mailbox-Ansage auf.
Die unterschiedlichen Einkommensquellen geben uns kreative Freiheit und Unabhängigkeit, was uns sehr wichtig ist.
Was unterscheidet kurzgesagt von anderen Agenturen?
Cathi: Wir verstehen uns nicht als klassische Designagentur, die für ihre Kunden Aufträge erfüllt, denn das ist nicht unser Hauptfokus. Wir arbeiten vor allem für uns selbst und setzen das um, was wir toll finden.
Unser Ziel ist es, Menschen zum Lernen zu inspirieren.
Diese Unternehmens-Philosophie schafft einen eigenen kurzgesagt-Kosmos, der sich um sich selbst dreht. Unser Ziel ist es, Menschen zum Lernen zu inspirieren. Dafür sind Humor und eine gute Geschichte ebenso wichtig wie klare Fakten.
Lesetipp: Wie du eine gute Marken-Story aufbaust, liest du hier.
Dieser Ansatz der Wissensvermittlung motiviert uns, wichtige und komplizierte Themen auf eine einfache und schöne Art und Weise darzustellen und zu kommunizieren. Mit unseren Videos wollen wir die Welt ein kleines bisschen besser machen.
Nichtsdestotrotz planen wir unser Agenturgeschäft in der Zukunft auszubauen, um uns weiterhin breit aufzustellen.
Wie profitiert kurzgesagt von einem Onlineshop?
Cathi: Wir hatten bereits seit einer Weile Merchandise-Produkte. Da unser Fokus jedoch stets auf der Videoproduktion lag, haben unsere Artikel nicht die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdienen. Wir wollten diesen Bereich weiterentwickeln und organisch wachsen lassen.
In jedes Erklärvideo fließen circa 1200 Arbeitsstunden.
Außerdem ist unser Shop ein zusätzliches finanzielles Standbein, um unsere Videoproduktion zu finanzieren. Denn in jedes Erklärvideo fließen circa 1200 Arbeitsstunden – ein preisintensiver Schaffensprozess.
Bella: Da wir beide keine E-Commerce-Erfahrung hatten, haben wir uns vieles selbst beibringen müssen. Shopify war dafür die perfekte Lernplattform. Die gute Bedienbarkeit hat es uns selbst als Anfänger erlaubt, schnell und einfach einen Onlineshop aufzubauen.
Cathi: Zudem können wir am Frontend herumspielen, ohne Angst zu haben, am Backend etwas kaputtzumachen. Stattdessen erhalten wir im Backend direkte Auswertungen und wichtige Kennzahlen, die uns über die Wirkung unserer Maßnahmen auf dem Laufenden halten.
Welche Herausforderungen ergeben sich daraus, dass ihr Produkte in unterschiedlichen Ländern vertreibt?
Das Duck Plushie findet ihren Weg trotz Corona in die USA.
Cathi: Unsere größte Herausforderung ist, dass unsere Kunden aus der ganzen Welt kommen. Aus diesem Grund haben wir uns dafür entschieden, zwei Shops, einen in Europa, einen in USA aufzubauen, um Kunden die besten Shipping Fees und kürzesten Lieferzeiten zu bieten. Die beiden Stores mussten wiederum an unterschiedliche Fulfillment-Center angebunden werden.
Vor dem Launch des EU-Shops wurden alle Artikel aus dem US-Lager verschickt. Mit dem neuen Fulfillment-Partner in den Niederlanden können wir nun aus Europa versenden und somit Zollschwierigkeiten und hohe Lieferkosten senken.
Bella: Eine weitere Schwierigkeit war es, Besucher in den richtigen Shop zu leiten. Es ist nicht sinnvoll, Kunden aus Deutschland im US-Store bestellen zu lassen. Zuerst probierten wir es mit einem Pop-up, wählten letztendlich allerdings einen Banner, der Shop-Besucher auf subtile Weise zur entsprechenden Lokalisierung weiterleitet.
Dank unseres zweiten Fulfillmentpartners konnten wir unsere US-Bestellungen in der Corona-Zeit dennoch ausliefern.
Cathi: Da wir versuchen, unsere Produkte so lokal wie möglich zu produzieren, ist es oft eine Herausforderung, auf beiden Shops ein identisches Produktsortiment anzubieten.
Andererseits hat sich eine zweigeteilte Produktion zu Corona-Zeiten als Vorteil herausgestellt. Zwar mussten Produktionsstätten vorübergehend die Arbeit einstellen. Wir konnten aber auf andere Lieferanten zurückgreifen, die normalerweise ausschließlich das andere Fulfillment Center beliefern.
Das amerikanische Fulfillment Center musste für kurze Zeit schließen. Wir konnten aber auf das europäische Lager ausweichen und somit weiterhin alle Kunden weltweit bedienen.
Lade dir hier die Übersicht aller Fulfillment-Anbieter herunter und vergleiche alle Features, die dir zur Verfügung stehen:
Ihr seid ein deutsches Start-up. Warum ist der kurzgesagt-Store ausschließlich auf Englisch verfügbar?
Bella: Auf unserem YouTube-Kanal werden englischsprachige Videos veröffentlicht. Deshalb kommen unsere Fans vor allem aus dem englischsprachigen Raum. Mittlerweile haben wir auch einen deutschen Kanal, der momentan in Zusammenarbeit mit Funk betrieben wird.
Weil unsere Zuschauer vor allem über den englischen Kanal zu uns kommen, ist es Shop und Produkte auf Englisch anzubieten.
Warum kommt euer Kalender so gut bei euren Kunden an?
Bella: Der Human-Era-Kalender ist unser Bestseller. Er erscheint einmal jährlich und beinhaltet zwölf illustrierte Kalenderseiten, die sich mit der Menschheitsgeschichte befassen und auf witzige Art und Weise komplexes Wissen transportieren. Der Verkauf des Kalenders hat maßgeblichen Anteil am Unternehmenserfolg. Die Beliebtheit des Produkts führen wir darauf zurück, dass der Kalender die kurzgesagt-Philosophie auf den Punkt bringt.
Seit dem letzten Jahr bieten wir das Aktions-Bundle ‘I hate calendars’ an. Dieses Bundle beinhaltet alle Produkte außer dem Kalender. Die als Witz gemeinte Aktion verkauft sich jedes Jahr einige Male.
Lesetipp: Bundles mit Shopify verkaufen? Machen auch Shape Republic in ihrem Onlineshop. Wie, erfährst du hier.
Welche Strategie verbirgt sich hinter dem einzigartigen kurzgesagt-Kalender?
Der kurzgesagt Kalender ist der Verkaufsschlager des Shops
Cathi: Wir wollten einen Kalender entwickeln, der die gesamte Menschheit repräsentiert, statt nur die westliche Welt. Deshalb haben wir ein anderes Jahr 0 gewählt. In unserer Zeitrechnung starten wir mit dem Moment, in dem Menschen gelernt haben zusammenzuarbeiten und schließlich Ackerbau zu betreiben. Statt 2021 folgt diesem Jahr deshalb 12021. Auf diese Weise werden alle kulturellen Errungenschaften der Menschheit mit einbezogen.
In unseren Augen macht die Fähigkeit der Zusammenarbeit unsere menschliche Natur aus. Nach unserem Konzept können wir nur gemeinsam Großes schaffen.
In diesem Jahr lag der Fokus des Kalenders auf dem Weltraum und Weltall-Themen. Wir beschäftigten uns auch mit der Frage: Was könnte die Menschheit in Zukunft erreichen, wenn sie weiter zusammenarbeitet?
In 2021 erkunden wir, wie Menschen gelernt haben, zusammenzuarbeiten, von der neolithischen Revolution bis hin zum Blick in die Zukunft.
Insgesamt haben wir bereits vier Kalender entwickelt. Dieses Jahr wird deshalb ein kleines Jubiläum. Bisher kommen sie sehr gut an und sind immer ausverkauft.
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Wie findet man als Unternehmen seine Einzigartigkeit?
Bella: Wir schauen mit unserer ganz eigenen Brille auf den E-Commerce. Kurzgesagt bedeutet das: Wir probieren einfach aus. So finden wir am schnellsten heraus, welche Produkte gut ankommen und welche Kommunikationsstrategie am besten funktioniert.
Produkte, in die wir bereits viel Zeit und Aufwand investiert haben, schaffen es manchmal nicht in unseren Shop.
Zudem stehen wir hinter der Qualität und dem Mehrwert der Produkte und versuchen unser Sortiment möglichst objektiv zu bewerten. Selbst Produkte, in die wir bereits viel Zeit und Aufwand investiert haben, schaffen es manchmal nicht in unseren Shop, wenn sie unseren Anforderungen nicht entsprechen.
Über die Autorin: Inara Muradowa ist SEO & Content Beraterin. Ihr Schwerpunkt ist der Bereich E-Commerce. Im Shopify-Blog porträtiert sie am liebsten erfolgreiche Gründer*innen und gibt Insider-Tipps zu aktuellen Trends.
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