Hier ist sie, die erste Folge des brandneuen deutschen Shopify Podcasts!
In unseren Erfolgsgeschichten aus dem E-Commerce stellt Moderator Manuel Fritsch ab sofort wöchentlich die Unternehmerinnen und Unternehmer hinter einigen der beeindruckendsten Shopify Stores aus Deutschland, Österreich und der Schweiz vor.
In Folge eins ist Marco Feelisch zu Gast. Marco hat gemeinsam mit seinem Geschäftspartner Georg Wolff Buckle & Seam gegründet - eine Brand, die personalisierte und hochwertige Ledertaschen für Herren produziert. 2015 haben sich die beiden Gründer in Pakistan kennengelernt und im letzten Jahr (natürlich zusammen mit einem super Team) bereits rund 15.000 Taschen verkauft. Damit ist Buckle & Seam eine der erfolgreichsten Online-Marken im Taschensegment. Wie aus einer Idee ein Erfolgsgeschäft wurde und wie man es als Unternehmen von Anfang an schafft, Gutes zu tun und nachhaltig zu arbeiten, erfahrt ihr in dieser Folge. Ach ja, ihr erfahrt selbstverständlich auch, wie die Vision, 10.000 pakistanischen Kindern einen Schulbesuch zu ermöglichen, tief ins Geschäftliche hineinwirkt.
Show Notes
- Store: Buckle & Seam
- Social Media: Facebook, Twitter, Instagram
Die beiden Deutschen ohne Stil
Manuel Fritsch: Magst du uns den Werdegang hinter Buckle & Seam schildern?
Marco Feelisch: Im Jahr 2015 bin ich nach der Uni nach Pakistan gegangen. Das ist so ein Land, was ich nicht besonders kannte. Ich wusste, wo es sich auf der Weltkarte befand, aber ich kannte niemanden, der in dem Land war und ich wollte einfach was Verrücktes machen. Ich bin damals dann zu Rocket Internet, die Mutterfirma von Zalando, gegangen, um dort zu lernen, wie man im Ausland eine Firma aufbaut und relativ schnell hochskaliert. Ich landete bei einer Firma, die Handys und Waschmaschinen, aber auch Modeartikel in Pakistan verkauft. Wir haben in Ländern, wo die Leute eigentlich fast keine Ahnung hatten, was ein Handy ist, Sachen digital verkauft. Da habe ich dann meinen jetzigen Mitgründer Georg kennengelernt.
Georg ist Urberliner, der aus dem Team von Bangladesch rüber nach Pakistan, nach Karatschi, kam. Anfangs hatten wir nicht wirklich etwas miteinander zu tun. Wir haben uns dann praktisch an Wochenenden kennengelernt und dann nach einem Jahr gedacht: Hey, wir können hier richtig was bewegen in Pakistan. Das Land hat tolle Vorzüge, die der Presse auf jeden Fall nicht bekannt sind. Allein die Herzlichkeit, die alle Menschen da rüberbringen. Wir haben uns gedacht: Hey, es wäre doch cool, wenn wir das Bild, was wir von Pakistan haben, auch unseren Freunden, der Familie und anderen Menschen zeigen können. Und haben uns überlegt: Wie können wir mit diesem Land nachträglich in Verbindung bleiben?
Ein paar Monate vorher haben wir uns eine Tasche machen lassen. Ich hatte vorher so einen Hardcase und Georg hatte so eine Mappe von Karstadt. Wir wurden beide eigentlich immer aufgezogen: „Die beiden Deutschen, die keinen Stil haben.“
Das haben wir zum Anlass genommen und uns eine Ledertasche designt und dann bei jemandem in Auftrag gegeben, der das in kleiner Serie gemacht hat. Und dann sind wir da ein paar Monate später wieder draufgestoßen. Die Bilder von unseren Taschen haben wir dann an Freunde gesendet und die meinten: „Cool, kannst du mir auch eine machen?“. Wir haben gesehen: Okay das funktioniert, lass uns hier aufhören und unsere Zelte woanders aufschlagen und eine Marke bauen.
Manuel: Seid ihr noch in Pakistan mit dieser Idee schwanger gegangen?
Marco: Kann man so sagen. Wir waren vor Ort und haben gesagt: Lass uns die ersten 40 Taschen machen. Das hat dann, weil wir natürlich nur eine Person hatten, die das dann alles gemacht hat, eineinhalb Monate gedauert. Wir hatten beide schon gekündigt, weil wir so heiß draufgelaufen waren, uns selbstständig zu machen. Wir haben dann gesagt: Pass auf, wir treffen uns in drei Monaten in Berlin und gucken dann, was wir machen. Georg ist dann Reisen gegangen und ich habe mit einem anderen Kumpel noch inbetween eine Firma in Mexiko gegründet, einfach nur aus Jux und Tollerei an Oldtimern. Währenddessen haben wir die Bilder bekommen aus Pakistan von den ersten Taschen. Georg und ich haben zusammen telefoniert und uns angeguckt und gesagt: Also entweder wir machen das Vollzeit, aber so mit so ein bisschen Effort geht’s auf keinen Fall! Dann war klar, wir machen jetzt schon mal die Firma, obwohl wir beide gar nicht in Deutschland sind und treffen uns dann Anfang September in Berlin und dann starten wir das zusammen. Das war 2016.
Nachhaltigkeit made in Pakistan
Manuel: Jetzt seid ihr prominent mit eurer Vision platziert, auch dort nachhaltig zu produzieren. War das von Anfang an ein wichtiges Thema?
Marco: Also für uns war immer klar, dass Unternehmer Vorbilder sein sollen und wir auch als Personen Vorbilder sind, egal wo wir agieren. Das heißt für uns, wir wollen Leute motivieren, sowas Ähnliches zu machen, und das kriegt man nur, indem man polarisiert. Für uns bedeutet das einfach: Wenn wir Erfolg haben, sollen auch andere Leute davon profitieren. Wir wollten ganz am Anfang zeigen, dass man auch direkt von Anfang an was Soziales machen kann, obwohl man natürlich long turn profitorientiert ist. Also das war uns ganz klar, dass wir immer fair produzieren. Wir als Team finden einfach, das sollte überhaupt kein Alleinstellungsmerkmal mehr sein, sondern das sollte einfach Usus sein. Da gehen wir ja gerade langsam hin, in der Gesellschaft. Wir haben uns ganz am Anfang entschieden, dass wir drei Prozent unserer Umsätze für soziale Initiativen in Pakistan spenden. Das heißt, mittlerweile haben wir eine eigene Schule mit aufgebaut, mit über 100 Schülern und Schülerinnen, denen Bildung nähergebracht wird. Das ist einfach was, was wir zurückgeben können.
Manuel: Seid ihr da auch auf Hürden oder Schwierigkeiten gestoßen, die es erschweren, solche nachhaltigen Projekte zu starten?
Marco: Hürden zum einen, weil wir natürlich weniger Marge haben, weil wir uns dazu verpflichtet haben, 3 Prozent der Umsätze zu spenden. Es war für uns schwierig, in Pakistan Leute oder Partner zu finden, mit denen man auf Augenhöhe agieren kann. Werte wie Fairness und gute Bezahlung, sowie langfristige Arbeitsverträge gab’s am Anfang gar nicht. Da wurden wir ein bisschen belächelt. Da gab’s natürlich Widerstand, aber, Fast-Forwarding drei Jahre, sind die Leute heute dankbar. Auch andere Fabriken haben mittlerweile nachgezogen.
Manuel: Wie seid ihr da konkret vorgegangen?
Marco: Der einfachste Weg ist natürlich, man findet einen Hersteller, der genau das macht, was man möchte. Wir haben am Anfang leider niemanden gefunden, der die sozialen Standards, die wir für wichtig empfinden, eingeht und auch die Qualität liefern konnte. Dann haben wir uns einen Partner gesucht, den wir schon länger kannten und gesagt: „Hey, du produzierst zwar Fashion, aber in einem ganz anderen Gewerbe. Hast du nicht Lust mit uns eine Taschenfirma aufzubauen und mit uns eine Produktionsstätte für faire, hochqualitative Taschen aufzubauen?“ Da konnten wir dann eine „eigene“ Fabrik mit jemandem zusammen aufbauen.
Manuel: Wie oft seid ihr dann vor Ort?
Marco: Als wir die Webseite livegeschaltet haben Ende 2016, war Georg in Pakistan, und zwar die ganze Zeit, um zum einen Produktion, Hiring, Qualitätsprozesse, aber natürlich auch die Qualitätssicherung aufzubauen. Am Anfang war das enorm viel Aufwand, sodass Georg wirklich diverse Monate im Jahr dort verbracht hat. Und mittlerweile ist er drei-, viermal im Jahr da. Wir haben aber mittlerweile auch einen Line-Manager bzw. Produktionsmanager, der in Berlin sitzt und auch diverse Male im Jahr hinfliegt, um das Team vor Ort zu coachen oder weiter zu entwickeln. Dann haben wir vor Ort mittlerweile sehr gute Leute, denen wir vertrauen.
Von 40 Taschen zu 15.000
Manuel: Wie habt ihr diesen Start finanziert?
Marco: Wir haben die ersten unter 50 Stück selbst finanziert und mit einem Artisan, einem Künstler gearbeitet, der immer Unikate gemacht hat. Wir haben dann gesehen, das funktioniert, haben die Webseite nebenher gebaut, wo das wirklich einfach ging ohne Coding Knowledge und konnten das alles inhouse machen. Haben am Anfang selbst gemodelt für die Taschen beziehungsweise Freunde angeworben, die dann in Taschen bezahlt worden sind für diverse Marketingaktivitäten.
Manuel: Das war in Berlin natürlich wahrscheinlich weniger schwer, oder?
Marco: Ja, aber wir waren auch schon mit Leuten auf Mallorca dann, um diese Werbefilme zu machen. Wir haben wirklich immer jeden Euro beziehungsweise sogar Centbeträge umgedreht und geguckt, was wir damit machen können. Dann hat uns natürlich auch geholfen, dass wir in Pakistan ein zweites Zuhause hatten. Wir kannten halt Leute, bei denen wir unterkommen konnten, wenn wir da ein paar Monate waren. Wir haben dann Facebook- und Google-Werbung geschaltet und die ersten Verkäufe und Umsatz gehabt. Damit haben wir mehr Ware gekauft, konnten die Produktion langsam aufstellen und dann haben wir uns einen Partner gesucht, der uns ein bisschen Geld zur Verfügung gestellt hat, im kleinen Rahmen. Wir sind aus dem Cashflow gewachsen.
Manuel: Ihr musstet gar nicht groß über Finanzierungsmodelle nachdenken, sondern das lief dann an und ist stetig mitgewachsen?
Marco: Das ist dann stetig mitgewachsen. Wir haben uns fast jeden Monat irgendwie verdoppelt oder verdreifacht. Also das war schon wirklich sehr rasant. Das war 2017, wo es wirklich losging. Wir haben da natürlich immer versucht mit Handelspartnern zusammenzuarbeiten, um das Inventar, was natürlich ein großer Kostenfaktor ist, zu finanzieren und zu bewerkstelligen. Aber wir haben uns immer zu Herzen genommen, dass wir keine großen Fixkosten am Bein haben. Dafür, dass wir dieses Jahr fast 15.000 Taschen verkauft haben, sind wir immer noch ein relativ kleines Team, von 11 Leuten. Was es uns ermöglicht, irgendwie flexibel zu sein.
Soziale Vision als Motivator
Manuel: Die ganze Sache mit den Nähern und Näherinnen vor Ort, ich habe gelesen, dass ihr das Dreifache des dort üblichen Mindestlohns zahlt. Stimmt das?
Marco: Ja, das ist für uns ganz wichtig, dass wir alle Leute fair bezahlen. In Deutschland müssen wir wirklich dankbar dafür sein, dass, wenn wir am Wasserhandrehen, Wasser kommt. Egal ob man ein Top-Manager ist oder gerade vielleicht arbeitsuchend, das ist immer gleich oder sollte immer gleich sein. Das ist in einem Land wie Pakistan, Bangladesch oder in ähnlichen Ländern dieser Region überhaupt nicht gegeben. Wir haben uns damals gefragt: Was muss passieren, damit wir zum einen ein Vorbild sein können, die Großen ärgern können, aber auch unsere Leute wirklich zu animieren, bei uns zu bleiben und gute Arbeit zu leisten? Der Mindestlohn in Pakistan liegt zwischen 100 und 200 US-Dollar und das ist wirklich nicht viel, wenn man eine Familie hat mit ein paar Kindern. Dann haben wir uns damals gedacht: Wie können wir dieses Dreieck verbinden - soziale Verträglichkeit, gesellschaftlicher Druck, aber auch unsere Qualität? Für uns war ganz klar, dass wir ein variables Vergütungssystem einbauen, dass die Leute, wenn sie ihre Arbeit vernünftig machen, wirklich auf das Dreimalige des Lohnes kommen, aber dafür natürlich auch eine gewisse Qualität liefern müssen. Die Bezahlung in Verbindung mit einem sicheren Arbeitsplatz ist dort Gold wert. Für uns war es irgendwie immer klar, dass ein Arbeitgeber sich ein bisschen um seine Leute kümmert. Deswegen haben wir damals Arbeitsverträge mit allen Mitarbeitern geschlossen.
Manuel: Du hast anfangs gesagt, drei Prozent eurer Gewinnmarge spendet ihr. Magst du da noch ein bisschen was zu sagen?
Marco: Wenn eine Tasche 100 Euro kostet, spenden wir drei davon. Das Projekt, was wir seit Gründung angehen, ist eine Partnerschaft mit der Anum School. Das ist eine lokale Schule, die sich mit dem Thema Mädchenbildung beschäftigt. In Pakistan können in bestimmten Regionen nur 3 von 10 Mädchen lesen, was uns natürlich damals geschockt hat. Das versucht die Anum School zu ändern in Karatschi. Sie versuchen aktiv die Mädchen in die Schule zu kriegen, die Väter beziehungsweise den gesellschaftlichen Druck zu lockern und den Mädchen, die normalerweise lernen sollen wie man den Haushalt schmeißt, Zugang zu Bildung zu geben.
Manuel: Ihr macht Taschen aus Rindsleder. Wie sieht's da aus mit der Nachhaltigkeit?
Marco: Leder ist ein Naturprodukt. Den meisten Leuten ist gar nicht klar, woher das Leder wirklich kommt, was wir verarbeiten. Das ist in Anführungsstrichen ein Abfallprodukt der Fleischindustrie. Wir nehmen Rind, weil es das hochqualitativste ist. Das ist enorm dick und strapazierfähig und wird normalerweise, wenn es nicht für die Lederindustrie genutzt wird, weggeschmissen. Das heißt, im ersten Punkt ist es schon mal nachhaltig, weil es nicht weggeschmissen wird und nichts neu erzeugt werden muss. Es gibt diverse Literatur, die sagt, dass die Ledergerbung ein „Dirty Business“ ist. Da haben wir uns natürlich am Anfang auch mit beschäftigt. Es gibt unglaublich viele Gerbereien, die noch nichts von Abwasserreinigungsmethoden oder ähnlichen Chemiealternativen gehört haben. Wir haben uns im Norden von Pakistan mit einer Gerberei zusammengesetzt, die eine Abwasserfilterungsanlage hat und da auch natürliche Gerbungsmethoden einsetzen. Sprich, den Impact, den wir haben, der wird relativiert - nicht nur durch Förderung des Abwassers, sondern auch durch innovative Mittelbenutzung bei der Gerbung.
Manuel: Ich habe auch gelesen, ihr wart dann zeitweise die schnellwachsendste Online-Taschenmarke Europas. Wie geht man mit so einem rasanten Wachstum um?
Marco: Georg und ich haben mit dem Team zusammen unsere Vision 2023 aufgemalt vor eineinhalb, zwei Jahren. Wo wollen wir hin? Was wollen wir machen? Wollen wir eine Taschenfirma sein? Wollen wir eine Lifestyle-Firma sein? Wollen wir Sozial-Unternehmer werden?
Eigentlich war ganz einleuchtend, dass das Ziel ist, bis 2023 10.000 Kinder in die Schule zu senden in Pakistan. Dafür müssen wir enorm wachsen. Und wir sind gerade auf einem super Weg dahin, wir verdoppeln uns jedes Jahr. Wir haben Leute, die super motiviert sind, ein Team, was immer weiterrennen will. Klar werden wir auch Rückschläge haben und die hatten wir auch schon dieses Jahr, aber da kommen wir auch wieder raus, wenn wir zusammen agieren und das große Ziel nicht aus den Augen verlieren.
Manuel: Aber das heißt, ihr nutzt auch die soziale Vision auch als Motivator für euch selber?
Marco: Genau. Wir haben das getrackt am Anfang, für wie viele Kunden das relevant ist, der soziale Faktor. Wir verkaufen keine Tasche, weil wir sozial aktiv sind. Das ist für uns ein Nebenprodukt. Wenn wir in zwei, drei Jahren erreicht haben, dass jede große Firma ein paar Prozent spendet, ist doch alles super! Wenn das nämlich eine 100 Millionen Euro Firma macht, dann sind 3 Prozent mal richtig Geld. Das ist wirklich unsere Idee, dass wir damit andere anstacheln können. Es ist kein Marketingtool, sondern einfach nur ein Motivator für unsere Mitarbeiter, aber natürlich auch für uns.
Manuel: Du hast gerade von Rückschlägen gesprochen. Was waren denn bei euch die Lehren, die ihr daraus gezogen habt und was ist euch passiert?
Marco: Wir haben diverse Male schon das Thema gehabt, das wir im Designteam gesagt haben: „Hey, wir haben ein richtig gutes Produkt. Das wird einschlagen.“ Haben dann da eine gute Menge vorproduziert, um direkt bedienen zu können. Das hat überhaupt nicht eingeschlagen. Wir haben enorm viel Kapital gebunden, weil wir nicht mit den Kunden gesprochen haben. Das war Punkt 1, wo wir gelernt haben: Wir müssen mit unseren Kunden reden. Wir haben den Zugang über den Webshop, über soziale Medien, um mit den Leuten direkt zu kommunizieren, das müssen wir nutzen.
Aber wir hatten am Anfang die falschen Motivationen beziehungsweise noch nicht das richtige Team zusammengehabt. Wir haben uns als Gründer selbst nicht so schnell entwickelt, um im Management voranzukommen. Mittlerweile haben wir uns da aber auch enorm entwickelt und Quantensprünge gemacht. Wir haben Unternehmenswerte und wir können darauf Entscheidungen treffen. Und wir haben ganz klare Ziele. Das war halt ein Learning, was uns enorm viel Speed gegeben hat.
E-Commerce als Fokus
Manuel: Das ganze Thema E-Commerce ist ja wahrscheinlich ausschlaggebend gewesen für euch, oder? Oder wart ihr zwischendurch auch mal am Überlegen in den Einzelhandel zu kommen?
Marco: Wir haben bei der Firmengründung ganz klar die Nische gesehen, dass es keinen digitalen Player gibt im Herrentaschen-Segment. Es gab keine Marke, die eine vernünftige Webseite oder einen vernünftigen Markenauftritt hatte 2016. Und da haben wir klar gesagt: Wir müssen vorgehen, wir müssen einen tollen Webshop haben und wir müssen die Digital Experience ownen. Der Handel kann später kommen, wenn man eine Marke ist. Die ersten Jahre haben wir 100 Prozent des Umsatzes nur über unseren Webshop gemacht. Dann haben wir vor eineinhalb, zwei Jahren begonnen, kleine Partnerstores exklusiv in Städten auszuwählen. Mittlerweile gehen wir auch sogar dahin, dass wir zum Beispiel im amerikanischen Markt auch mit größeren Handelspartnern zusammenarbeiten. Weil wir halt mittlerweile die Marke sind, die Leute auf Instagram, auf Facebook, Twitter und was auch immer suchen. Der Fokus wird aber auch weiterhin in den nächsten Jahren für uns immer online directly bleiben.
Lesetipp: Wie du eine einzigartige Über-uns-Seite gestaltest, verraten wir dir in diesem Beitrag.
Manuel: Seit ihr direkt bei Shopify gelandet oder hattet ihr noch andere Sachen ausprobiert?
Marco: Wir haben am Anfang viel verglichen. Um den ersten Webshop zu machen, war Shopify super einfach. Wir haben relativ wenig Coding Knowledge gehabt, konnten dann über so einen Pagebuilder das schnell zusammenschustern und innerhalb von drei, vier Tagen livegehen. Zwischenzeitlich hatten wir uns mal was anderes angeschaut, was aber bei der Skalierung überhaupt keinen Sinn macht, überhaupt keinen Mehrwert hat. Und mittlerweile sind wir wirklich Shopify Brand Ambassadors geworden, denn du musst dir keine Sorgen über ein Hosting machen. Wir hatten jetzt letztes Jahr irgendwann mal einen TV-Auftritt. Normalerweise würden dann deine Server glühen, das konnte easy abgefangen werden. Wir haben keine Probleme mit dem Check-Out, dass da irgendwas kaputtgehen kann, weil das einfach ein sicheres Environment ist. Also das ist auf jeden Fall super. Und mittlerweile bietet es ja auch viele Bezahlmöglichkeiten an und ist in Deutschland ja auch weitverbreitet. Das ist enorm schön zu sehen, dass man da halt so viele Sachen aus einem hat und wir uns ganz klar fokussieren können. Ich kann mich fokussieren aufs Marketing, auf die Conversion-Rate-Optimierung. Mein Mitgründer kann sich auf das Thema Operation and Products fokussieren. Die Teams untereinander können sich auch in ihrer Expertise digital weiterentwickeln.
Manuel: Was würdest du denn Gründern und Gründerinnen mitgeben wollen? Was würdest du dir selbst sagen, wenn du nochmal am Anfang stündest?
Marco: Ich würde mir selbst sagen, dass ich mir Mentoren suchen soll, idealerweise drei, vier Leute, die deutlich weiter sind als ich selbst. Die können auch von einem anderen Feld sein. Wenn man jetzt eine Software Company gründet, kann das auch gerne ein E-Commerce-Gründer oder ein Manager sein, oder auch ein Lehrer als Beispiel, der einen coacht in Lebenserfahrung, aber natürlich auch Arbeitsentscheidungen und Prozessen. Wir haben im Oktober ein Büro in New York aufgemacht, jeden Morgen bin ich eine Stunde zur Arbeit gefahren mit der U-Bahn, und habe dabei gelesen. Das hat mir so viel Ruhe gegeben, aber auch Weitblick. Es gibt diverse Bücher, die ich gerne gehabt hätte, früher. Als Beispiel, eins heißt „Get a Grip on Your Business“. Das ist ein Buch, wo einem das eins mal eins der Gründung erklärt wird, dass man eine Strategie haben muss, die wirklich wasserfest ist, dass man das Team vernünftig aufbauen muss, aber auch seine Werte sowie „Financial Cash for Planning“-Ideen haben muss. Das Buch war da, ich hab's nur nicht gelesen beziehungsweise mir nicht die Zeit genommen ein Buch zu lesen, weil ich dachte: Ich habe tausend andere Sachen zu tun, die viel wichtiger sind als jetzt so ein komisches Buch zu lesen. Die werden mir schon nichts erzählen, was ich nicht selbst kann. Das einfach zu erfahren, das versuche ich jetzt auch anderen Leuten mitzugeben, weil das meiste steht schon irgendwo. Viele Leute haben es schon erlebt und die Experiences gemacht. Die können dir dann den Umgang erklären. Dann spart man sich ganz viel ausgefallene Haare, glaube ich.
Ziele für die Zukunft
Manuel: Wo geht die Reise hin für euch in der Zukunft?
Marco: Also in Q1 von 2020 auf jeden Fall für uns nochmal der Fokus Amerika. Wir haben das Büro noch bis März in New York. Wir werden da sein, werden einfach gucken, inwiefern der amerikanische Retail-Markt mit dem digitalen Markt zusammen funktioniert, inwiefern wir die Marktansprache ändern müssen. In Deutschland wird es der Teamausbau sein. Wir haben zwei sehr, sehr spannende Projekte, wo es um die Produktentwicklung mit Bestandskunden geht. Aber natürlich auch die Markenentwicklung in Deutschland beziehungsweise im D-A-CH-Raum, die wir weiter vorantreiben wollen, nicht nur digital, sondern auch stationär im Handel.
Manuel: Es gibt noch viele Herren ohne Tasche, höre ich da raus?
Marco: Es gibt enorm viele Herren, die irgendwelche Taschen haben, aber die dann wahrscheinlich so einen Laptop-Mitbringsel haben, was sie bekommen, wenn sie den Betriebs-Laptop instand setzen oder nehmen. Von daher, wir sind der Meinung, dass es da sehr, sehr viele Menschen gibt, die noch Bedarf haben an einer schönen oder personalisierbaren Tasche. Weil diese schwarzen langweiligen Taschen, die irgendwie immer gleichaussehen, finden wir doch ein bisschen komisch. Bei uns kann man die Farbe und das Innenfutter auswählen - vom grünen Boden bis hin zum gepunkteten Innenfutter und das gleiche noch mit der Initialgravur. Wenn das dann noch von einer Marke ist, mit der Mann sich vereinbaren kann, dann haben wir da glaube ich den Nerv getroffen. Wir hoffen auch, dass da viele Leute dann weiter hingehen und noch bewusster werden. Das Thema Conscious Consumerism ist ja gerade in aller Menschen Munde und da wollen wir uns einfach auch noch weiterentwickeln und zeigen, dass es uns gibt, dass man nicht irgendeine Tasche auf einem Marktplatz kaufen muss, sondern eine Tasche mit Herz.
Manuel: Habt ihr denn gemerkt, dass dieses bewusste Einkaufen jetzt euch auch mehr Umsatz oder mehr Zulauf beschert?
Marco: Du musst abwägen zwischen, was heißt bewusst, was heißt Nachhaltigkeit? Wir haben bei uns verschiedene Faktoren. Wir haben einmal die nachhaltige Gerbung, die faire Produktionsstätte beziehungsweise die faire Produktion. Und das dritte ist unser Impact-Programm, wo wir sagen: Da brennen wir für. Das hat nichts mit dem Business zu tun. Manche Faktoren wiegen mehr, wie zum Beispiel faire Produktion. Das ist im Kommen, das freut uns, dass die Leute da mehr drüber nachdenken, aber der dritte Faktor, das interessiert immer noch viele Leute aus unserer Sicht zu wenig. Da wollen wir dran arbeiten, aber wie gesagt, es wird nicht ein Verkaufskriterium sein für uns. Wir werden nicht sagen, die Leute sollen die Tasche kaufen, weil dafür Mädchen in die Schule kommen. Es ist deine Tasche, sie ist personalisierbar, sie ist hochqualitativ, fair produziert und von einer Marken, die mit deinen Werten übereinstimmt. Und dann kann jeder selbst seine Entscheidung treffen.
Manuel Fritsch ist der Moderator des Shopify Podcasts. 2000 gründete Manu sein erstes Unternehmen und arbeitete 15 Jahre in der Agenturwelt. Seit 2015 ist er als freiberuflicher Spielejournalist für Fachmagazine, Zeitungen und seinen eigenen Podcast mit inzwischen über 2.500 Folgen tätig.
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